Vom Profisportler zum Führungsexperten

Sebastian Kneißl, ehemaliger Fußballprofi, gefeierter DAZN-Kommentator, Coach und Motivationstrainer, reflektiert zum Start ins Fußball-Europameisterschaftsjahr der Männer seine facettenreiche Karriere. Er erörtert die Entwicklung des deutschen Fußballs und zeigt auf, wie Fußballstrategien in Führungsqualitäten umgewandelt werden können. Ein inspirierendes Gespräch, nicht nur für Fußballenthusiasten und Führungskräfte.

Sebastian Kneißl: „In der tiefgreifenden Spielanalyse liegt der Schlüssel: Jede Statistik erzählt eine Geschichte. Diesen Ansatz nutze ich auch in meinen Coachings – fundierte Entscheidungen, basierend auf Daten und Kontext, sind entscheidend.“
Sebastian Kneißl: „In der tiefgreifenden Spielanalyse liegt der Schlüssel: Jede Statistik erzählt eine Geschichte. Diesen Ansatz nutze ich auch in meinen Coachings – fundierte Entscheidungen, basierend auf Daten und Kontext, sind entscheidend.“

Sebastian, während deiner beeindruckenden Karriere bei Clubs wie dem FC Chelsea und in der schottischen Premier League hast du sicherlich zahlreiche Höhepunkte erlebt. Gibt es eine spezielle Erinnerung oder ein Ereignis, das für dich besonders prägend war?
Kneißl: In meiner Karriere gab es natürlich mehrere Höhepunkte, die ich sofort nennen könnte, aber dafür reicht der Platz wohl nicht. Eine besondere Erinnerung ist mein erster Tag beim FC Chelsea. Als ich ins Trainingsgelände reinspaziert, wusste ich nicht, wo ich hinmuss. Keine fünf Sekunden später sprang jemand auf meinen Rücken und rieb mir mit den Fingerknöcheln über den Kopf. Es tat ziemlich weh, und ich war kurz davor direkt auszuholen. Aber dann sah ich, dass es Didier Deschamps war, damals noch Spieler, heute Trainer der französischen Nationalmannschaft. Es war eine lustige Szene, denn er merkte, dass ich jung und orientierungslos war. Einer der damaligen Topstars nahm sich meiner an und zeigte mir den Weg. Das war definitiv mein soziales Highlight bei Chelsea. Ein weiterer Höhepunkt war mein erstes Spiel in der 1. Mannschaft. Das war in der Saison 2003/2004 gegen Lazio Rom. Das war schon Gänsehaut bei über 30 Grad in Italien und vor 25.000 Zuschauern mit Spielern wie Frank Lampard, Jimmy Floyd Hasselbaink und Gianfranco Zola auf dem Platz zu stehen, das war schon toll.

Nachdem du deine aktive Karriere beendet hast, wie beurteilst du die Entwicklung des deutschen Fußballs, insbesondere im Bereich der Nachwuchsförderung? Siehst du Unterschiede oder Ähnlichkeiten zu anderen Ligen oder Fußballkulturen?
Kneißl: Die Entwicklung in den letzten Jahren ist höchst professionell. Über die Nachwuchsleistungszentren sind viele Bereiche gut abgedeckt, manche vielleicht sogar übertrieben. Ich spreche hier insbesondere vom Thema Taktik in jungen Jahren. Wir haben die Spielfreude, das natürliche und einfache Spiel, die Bolzplatzmentalität etwas aus den Augen verloren. Glücklicherweise kehrt dies jetzt wieder zurück. In diesem Aspekt waren Länder wie Spanien und vor allem England uns deutlich voraus. Dank der Reform von Hannes Wolf (Fußballtrainer der U20-Auswahlmannschaft des DFB, A.d.R.) und seinem Kompetenzteam sind wir nun wieder auf dem richtigen Weg. Dennoch sehe ich, speziell in der Verarbeitung von Informationen und im Umgang mit Druck, noch viel Potenzial.

Du hast einmal erwähnt, dass du für eine tiefgehende Analyse eines Spiels viel Zeit investierst. Kannst Du ein Beispiel nennen, bei dem diese Herangehensweise einen entscheidenden Unterschied gemacht hat? Wie können solche Ansätze in die Arbeitswelt übertragen werden, insbesondere in Krisenzeiten?
Kneißl: Ich nutze eine große Datenplattform, die Videomaterial von Vereinen weltweit anbietet, u. a. sogar aus der 3. Liga Boliviens. Mein Ziel ist es, den Zuschauern fundierte Analysen und Meinungen zu liefern, nicht nur Statistiken. Jede Statistik hat dabei ihre eigene Geschichte und steht immer im Kontext zu etwas anderem. Das bedeutet, wenn es beispielsweise einen guten Ballbesitz oder viel Ballbesitz gab, muss ich natürlich wissen, welche Art von Ballbesitz es sich dabei drehte. Es gibt positiven und negativen Ballbesitz. Es geht eigentlich darum, verschiedene Statistiken miteinander zu verknüpfen. In der Arbeitswelt sollten Entscheidungen ebenso fundiert getroffen werden. Eine isolierte Betrachtung von Statistiken kann zu Panik oder falschem Erfolgsdenken führen. Man sollte immer den Kontext berücksichtigen und lösungsorientiert denken.

Sebastian Kneißl, ehemaliger Fußballprofi, DAZN-Kommentator, Coach und Motivationstrainer
Sebastian Kneißl, ehemaliger Fußballprofi, DAZN-Kommentator, Coach und Motivationstrainer

Du betonst oft die Bedeutung der Kommunikation, besonders in stressigen Situationen. Welche konkreten Ratschläge würdest du Führungskräften geben, um effektive Kommunikation zu fördern und Herausforderungen zu meistern?
Kneißl: Ein zentraler Aspekt meiner Arbeit als Teamplayer ist, und das gilt auch für Führungskräfte in Unternehmen, dass ich mir immer wieder Notizen über die Menschen mache, mit denen ich zu tun habe. Ich achte insbesondere darauf, wie sie kommunizieren, welche Worte sie bevorzugen, welche Sprachbilder sie nutzen und was ihnen wichtig ist. Das hilft mir später, meine Mitarbeiter besser zu verstehen. Als Führungskraft muss ich meine Kommunikation entsprechend anpassen und authentisch bleiben. Authentizität bedeutet auch, sich angreifbar zu machen und Schwächen zuzugeben, immer mit dem Ziel, lösungsorientiert zu kommunizieren.

Wie können die im Fußball gelehrten Prinzipien der Teamarbeit und Strategieplanung helfen, Herausforderungen in anderen Bereichen, wie beispielsweise im Management, zu meistern?
Kneißl: Im Fußball spricht man von Spielprinzipien, die unabhängig von Mannschaft oder Taktik immer gültig sind. Diese Handlungsmuster bieten Sicherheit, Orientierung und Überzeugung – insbesondere in Krisensituationen. Diese Prinzipien können auch im Management angewendet werden. Als ehemaliger Abteilungsleiter im Qualitätsmanagement bei einem der größten Möbelimporteure in Deutschland habe ich die Bedeutung klar formulierter Prinzipien erkannt. Sie sparen Zeit und verhindern Unsicherheiten im Team. Genau das ist entscheidend für eine effektive und überzeugte Teamarbeit im Unternehmen.

Deine Sorgfalt in der Spielanalyse und die Bereitschaft, Zeit und Ressourcen zu investieren, sind bemerkenswert. Wie integrierst du diese Eigenschaften in deine Coaching- und Beratungspraxis, und wie unterstützt du Manager dabei, informierte Entscheidungen zu treffen?
Kneißl: Ich investiere aus einem Grund: Ich möchte überzeugt und sicher auftreten. Diese Einstellung vermittle ich in meinen Coachings und Workshops mit Menschen aus dem Top-Management, Abteilungsleiterinnen und -leitern, aber auch mit Teams und speziell mit Azubis. Ich lehre dabei, keine Angst vor Entscheidungen zu haben. Entscheidungen sollten immer fundiert getroffen werden. „Fundiert“ – du merkst, dieses Wort ist mir extrem wichtig. Selbst wenn eine Entscheidung falsch ist, ist es wichtig, dass sie nicht impulsiv, sondern auf Basis von Daten und Abwägungen getroffen wurde. Diese Herangehensweise hilft dabei, überzeugend aufzutreten und sowohl im Sport als auch im Unternehmensumfeld die Teamstruktur und die eigene Karriere zu festigen.

Als Fußball-Experte wird dir sicher oft die Frage gestellt, wer sind Deiner Meinung nach die Favoriten für den Europameister 2024?
Kneißl: (Lacht) Ich vertraue hier auf die Buchmacher, die mittlerweile sehr viel Ahnung haben. Die Topfavoriten sind Frankreich, gefolgt von England. Als Geheimfavoriten sehe ich Portugal, nicht nur wegen Cristiano Ronaldo, sondern auch wegen ihrer individuellen Qualität. Für Deutschland wäre das Erreichen des Viertelfinales bereits ein großer Erfolg.

Gibt es aktuelle Trends oder aufstrebende Talente, die besonders beachtenswert sind?
Kneißl: Bei den Franzosen ist Warren Zaïre-Emery, ein 17-jähriger Spieler bei Paris Saint-Germain, ein Talent, auf das man achten sollte. In Deutschland fallen mir Jamal Musiala und Florian Wirtz ein. Sie werden europaweit für Furore sorgen. Was aktuelle Trends angeht, sehe ich eine Rückkehr zum Ballbesitz-Fußball, was ich begrüße. Es geht darum, den Ball zu behalten, was deutlich anspruchsvoller ist als reines Verteidigen.

Sebastian, ich danke Dir für Deine spannenden und inspirierenden Ausführungen.
www.coach-seb.com


Sebastian Kneißl: Erfolgsstrategien aus dem Fußball  für effektives Management
Sebastian Kneißl: Erfolgsstrategien aus dem Fußball für effektives Management

Erfolgsstrategien aus dem Fußball für effektives Management


Sebastian Kneißl, Jahrgang 1983, geboren in Lindenfels im Odenwald, spielte ab 1998 für die Eintracht Frankfurt. Ab 2000 wechselte er direkt in die englische Premier League. Er war beim FC Chelsea unter Vertrag und spielte später in der 1. Liga Schottlands. Im Sommer 2007 unterbrach Kneißl seine Fußballerkarriere für ein Jahr und arbeitete als Streetworker in London. Er veranstaltete damals Fußballtrainings für Kinder aus sozialen Brennpunkten. Einst ein herausragender Spieler auf dem grünen Rasen, hat sich sich Sebastian Kneißl im Laufe der Jahre zu einer einflussreichen Persönlichkeit im Fußball entwickelt. Er hat aber nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch als Kommentator, Experte und selbstständiger Coach und Motivationstrainer bedeutende Spuren hinterlassen. Seine tiefgreifenden Einblicke und Analysen in die Welt des Fußballs, kombiniert mit seiner Fähigkeit, das Spiel und seine Strategien auf andere Lebensbereiche zu übertragen, machen ihn zu einer inspirierenden Figur. Heute ist Sebastian Kneißl eine Stimme der Autorität und des Wissens, sowohl am Mikrofon bei DAZN als auch in seinen vielfältigen Rollen außerhalb des Stadions. Kontaktaufnahme über LinkedIN oder seine Internetseite www.coach-seb.com